Freies Informatik Lehrmaterial für die Grundschule

Digitale Bildung gehört in die Lehrpläne der Schulen, das sollte mittlerweile auch den letzten ProtagonistInnen der Bildungsbranche klar sein. Doch genauso klar ist es, dass die bloße Ausarbeitung von zu erlernenden Digitalkompetenzen und deren Auflistung in den Rahmenplänen der einzelnen Bundesländer nicht reicht. Vielmehr braucht es jahrgangsspezifisches Unterrichtsmaterial um die Wissensanforderungen in den vielen Klassenzimmern umzusetzen.

Gerade für die Grundschulen gibt es derzeit leider noch wenig Unterrichtsmaterial, das Informatikkompetenzen vermittelt und den jüngsten SchülerInnen ein lustvolles Lernen ermöglicht. Dieser Mangel an informatischen Lernmaterialien für die Grundschule ist auch an der Bergischen Universität Wuppertal aufgefallen. Dort wurde deshalb ein Forschungsprojekt gestartet, zu dem wir Denise Schmitz und ihre KollegInnen von der Didaktik der Informatik befragen konnten.

Wer bist du und was machst du?

Wir, Denise Schmitz (Didaktik der Informatik – DdI), Michael Lachetta (DdI und Sachunterrichtsdidaktik – SU) und Lucas Montuori-Sorrentino (ehem. Mitarbeiter, SU), sind MitarbeiterInnen im Kooperationsprojekt „Informatische Bildung als Perspektive des Sachunterrichts im Praxissemester“. Das Projekt wird von der Didaktik des Sachunterrichts sowie der Didaktik der Informatik an der Bergischen Universität Wuppertal unter der Leitung von Prof. Dr. Miriam Kuckuck (SU) und Prof. Dr. Ludger Humbert (DdI) durchgeführt. Wir kooperieren im Weiteren mit Personen der Didaktik des Sachunterrichts sowie der Informatik an der Universität Duisburg-Essen und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Im Rahmen dieses Forschungsprojektes werden Unterrichtsinhalte entwickelt, mit denen die informatische Bildung im Sachunterricht gefördert und dessen Umsetzung beforscht werden sollen. Alle entwickelten Materialien werden durch Studierende der Masterstudiengänge „Grundschullehramt Sachunterricht“ und „Sachunterricht mit sonderpädagogischer Förderung“ im Rahmen des Praxissemesters eingesetzt, nachdem sich die Studierenden in einem Vorbereitungsseminar die fachlichen und fachdidaktischen Grundlagen angeeignet haben.

Warum entwickelt ihr als Universität Unterrichtsmaterial für Lehrkräfte?

Der neue Kernlehrplan des Sachunterrichts in NRW weist explizit Kompetenzen der Informatik aus, die im Master of Education (noch) nicht angesprochen werden und für das es (noch) wenig Unterrichtsmaterialien gibt. Durch unser Projekt entwickeln die Studierenden die benötigten informatischen Kompetenzen und bekommen Möglichkeiten für die Umsetzung im Unterricht aufgezeigt. Die entwickelten Unterrichtsmaterialien setzen die Studierenden außerdem in den Praxissemesterschulen ein, wodurch sie zu Multiplikatoren für die informatische Bildung werden.

Warum gibt es dieses Forschungsprojekt?

Konstruktive und breite Diskussionen der zwei Initiativen »Informatik an Grundschulen« (IaG) und der Arbeitskreis Bildungsstandards für den Primarbereich des Fachausschusses Informatische Bildung in Schulen (FA IBS) der Gesellschaft für Informatik (GI e.V.) führten zu folgenden Feststellungen:

  1. Informatik hat einen Bildungswert, der bereits in der Grundschule angemessen adressiert werden muss => Empfehlungen der GI 2019.
  2. Beispiele aus dem Projekt IaG belegen, wie eine Umsetzung gelingen kann (auch ohne den Einsatz von Informatikmitteln).
  3. Informatik findet sich mit konkreten Kompetenzen in den überarbeiteten Lehrplänen für die Grundschule in Nordrhein-Westfalen (Sachunterricht und Mathematik).

Wir sehen aufgrund der an Grundschulen fehlenden oder nur beschränkt vorhandenen informatischen Bildung die Notwendigkeit, die Informatik mithilfe dieses Projektes an den Grundschulen zu verankern. Durch die drei Standorte in Nordrhein-Westfalen wollen wir möglichst viele Lehrkräfte sowie Schulen erreichen und Materialien entwickeln. Das Forschungsprojekt wurde durch die Bergische Universität Wuppertal initiiert und wird gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

Was sind eure Ziele damit?

Unser Alltag ist bereits und wird zukünftig immer mehr von Informatik durchdrungen sein. Zugleich wird immer klarer, dass auch die Generation der sogenannten »digital Natives« höchstens als NutzerInnen mit Informatiksystemen (z.B. Computern, Smartphones, Tablets) umgehen können und mit einem kritischen Hinterfragen oder dem Gestalten dieser innovativen Möglichkeiten überfordert sind. Aus dem Grund muss informatische Bildung zwingend in der Grundschule verankert werden, wie es beispielsweise auch die Vorgaben der Kultusministerkonferenz und der Medienkompetenzrahmen NRW fordern. Ziel unseres Projektes ist, diese Forderung im Rahmen des Sachunterrichts in Grundschulen einzulösen. Der Sachunterricht ermöglicht durch seine Vielperspektivität verschiedene Möglichkeiten informatische Bildung (z.B. als perspektivvernetzender Unterrichtsgegenstand) umzusetzen. Ebenso können auch im Sinne eines inklusiven Sachunterrichts alle Kinder gefördert werden.

Zum freien Unterrichtsmaterial für die Grundschule

Drei verschiedene Materialkisten stehen zur Verfügung:

  1. Robotik-Kiste: EVA-Prinzip mit den Ozobots
  2. Kiste zur Cäsar-Verschlüsselung mit dem Calliope mini
  3. Kryptologie-Kiste

Über diesen Link gelangt ihr zur Moodle-Plattform mit den Materialien. Zum Download der Materialien bitte als Gast bei Moodle anmelden.

Für welche Altersklassen habt ihr das Material erstellt?

Das Material wurde speziell für den Sachunterricht der Grundschule entwickelt. Durch einige wenige Anpassungen kann das Material zur Robotik in allen Klassenstufen der Grundschule eingesetzt werden.

Die anderen beiden Unterrichtsmaterialien richten sich aufgrund der erforderlichen Schreib- und Lesekompetenzen verstärkt an die Klassenstufen 3 und 4, können aber auch in höheren Stufen verwendet werden.

Wie ist das Material aufgebaut? Wie umfangreich ist es?

Das entwickelte Material ist so aufgebaut, dass es im Rahmen des Sachunterrichts für einen längerfristigen Unterrichtszusammenhang (Unterrichtsreihe) im Umfang von sechs bis acht Unterrichtsstunden eingesetzt werden kann (mit Einzel- und Doppelstunden). Um die Unterrichtsgestaltung flexibel zu halten, sind einzelne Unterrichtseinheiten optional.

Die jeweiligen Handreichungen für Lehrkräfte bieten neben einem detaillierten Überblick über die Unterrichtsreihe mit einzelnen Unterrichtsentwürfen auch die notwendigen fachlichen Grundlagen zum jeweiligen Thema. Dabei wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass seitens der Lehrkräfte nur äußerst geringe bis keine Vorkenntnisse im Bereich der Informatik erforderlich sind.

Das Material zu den Unterrichtsreihen ist äußerst umfangreich und beinhaltet bspw. Wortspeicherkarten, Zusatzaufgaben und Tippkarten. Dadurch bietet es eine große Auswahl für die Umsetzung im eigenen Unterricht. Die bereitgestellten und an der Universität ausleihbaren Materialkisten enthalten alle benötigten Arbeitsmaterialien, die auch digital verfügbar sind, sowie weitere themenspezifische Materialien und Klassensätze mit je zehn Ozobots oder Calliope.

Mit welchen Tools / Robotern arbeitet ihr? Warum habt ihr diesen ausgewählt? 

Für die Robotik-Kiste haben wir uns für den Ozobot entschieden, da dieser speziell für Kinder im bzw. ab dem Grundschulalter entwickelt wurde und trotz seiner einfachen Bedienung vielfältige Einsatzmöglichkeiten im Unterricht bietet. Aufgrund der verbauten Sensorik sowie Aktorik ist der Hauptlerngegenstand des EVA-Prinzips durch ihn besonders gut erfahrbar. Wichtig war uns stets, dass seitens der Schule keine Computer oder ähnliche technische Ausstattung notwendig ist.

Für die Kiste zur Cäsar-Verschlüsselung werden Cäsar-Scheiben zur analogen Ver- und Entschlüsselung verwendet. Als optionales zusätzliches Hilfsmittel können Calliope eingesetzt werden, um bei der Behandlung der Kryptoanalyse den Vorgang der Entschlüsselung zu beschleunigen und den Fokus auf die Kryptoanalysemethoden legen zu können. Das entsprechende Programm für die Calliope steht als Datei zur Verfügung, sodass eine eigene Programmierung nicht notwendig ist.

Die Kryptologie-Kiste kommt ganz ohne Informatiksysteme aus. Bis zum Sommer soll sie überarbeitet und durch weitere Materialien ergänzt werden.

Welche Ausstattung braucht die Schule, um euer Material zu nutzen? 

Die Materialkisten sind so konzipiert, dass möglichst keine zusätzlichen Materialien benötigt werden (außer eigenen Kopien u.ä.). Sofern die Kiste selbst zusammengestellt werden soll, werden je nach Kiste Ozobots bzw. Calliope bzw. unterschiedlich dicke Holzstäbe benötigt. Weitere spezielle Ausstattung ist nicht notwendig. Die druckbaren Materialien sind ausnahmslos auch digital als OER-Material verfügbar.

Wo findet man eure Unterrichtsmaterialien? Wie haben Lehrkräfte Zugriff darauf?

Die druckbaren Materialien sowie die Handreichungen und Inhaltslisten der Kisten sind online verfügbar und können unter der CC-BY-SA-Lizenz frei verwendet und verändert werden. Auf der Projektwebseite gibt es außerdem Verlinkungen zu den anderen Standorten des Projektes, wo ebenfalls Material entwickelt wird.

Lernkarten App Camps

Unterrichtsmaterial von App Camps zu EVA-Prinzip und Cäsar-Verschlüsselung

Auch auf App Camps gibt es Unterrichtsmaterial zum EVA-Prinzip. Damit könnte ihr mit euren Schülerinnen den Calliope mini programmieren und die verschiedenen Ein- und Ausgabe Optionen des Minicomputers entdecken. Mehr Informationen und den Link zu dieser Unterrichtseinheit findet ihr hier.

In unserem Themenbereich Grundlagen Informatik I haben wir im Modul Informationsgesellschaft und Datensicherheit I auch eine Unterrichtseinheit zu Verschlüsselungsmethoden für euch. Im Unterrichtsmaterial lernen die SchülerInnen auch das Prinzip der Cäsar Verschlüsselung kennen.

Herzlichen Dank für das interessante Interview, liebe Denise!

Falls ihr Fragen zu dem tollen Lernmaterial aus Wuppertal habt schreibt uns gern. Kennt ihr andere tolle Lernmaterialien speziell für den Einsatz in der Grundschule, teilt sie gerne mit uns tom@appcamps.de!

Tom Wiedemann App Camps

Als studierter Medienwissenschaftler interessiert sich Tom dafür, wie analoge und digitale Medien unser Leben beeinflussen. Bei App Camps entwickelt Tom Unterrichtsunterlagen und ist als Trainer aktiv.