App Camps Unterlagen in einfacherer Sprache – Interview mit Anneke Hänel

Ihr erzählt uns regelmäßig, dass unsere Unterrichtsunterlagen euch bei der Umsetzung des Unterrichtsstoffs helfen. Darüber freuen wir uns sehr. Ab und zu bekommen wir aber auch Änderungswünsche an das Material, die wir leider nicht immer erfüllen können. Sei es Unterlagen in einfacherer Sprache für die Förderschule, schwierigere Aufgaben für die Sekundarstufe II, eine Übersetzung ins Dänische oder Französische, etc. Deshalb erstellen wir alle unsere Unterrichtsunterlagen mit offener Lizenz als OER (Open Educational Ressources).

Das bedeutet, dass ihr unser Unterrichtsmaterial unter Nennung der Quelle, individuell an die Bedürfnisse eurer SchülerInnen und eures Unterrichts anpassen könnt. Uns interessiert natürlich brennend, wie ihr das in der Praxis anstellt. Deshalb haben wir die Hamburger Lehrerin Anneke Hänel interviewt. Sie unterrichtet an der Elbschule sowie der Stadtteilschule Mitte und hat für ihre SchülerInnen bereits mehrere App Camps Lernkarten individualisiert und in einfachere Sprache überführt.

Individualisierte Unterrichtsunterlagen für diklusiven Unterricht

In unserem Blogbeitrag zur Inklusion haben wir euch bereits positive Effekte von digitalen Medien für inklusiven Unterricht vorgestellt. Darin erläutert die Diklusions-Expertin Dr. Lea Schulz, worauf sie bei der Unterrichtsvorbereitung besonders achtet. Einen Punkt, den sie hervorhebt, ist die Identifikation von möglichen „Stolpersteinen“ für SchülerInnen.

Anneke Hänel hat App Camps Unterrichtsunterlagen für ihre SchülerInnen angepasst, um genau solche „Stolpersteine“ zu beseitigen. Im Unterrichtsszenario von Anneke sind schriftliche Aufgabenstellungen eine große Herausforderung, da in ihren Klassen eine heterogene Lesekompetenz herrscht. Sie hat unsere Unterlagen daher überarbeitet und in einfachere Sprache überführt.

Wer bist du und was machst du?

Hallo, mein Name ist Anneke Hänel, ich bin Lehrerin und Koordinatorin für die digitale Entwicklung an der Elbschule in Hamburg.

An welcher Schulform unterrichtest du?

Ich unterrichte an der Elbschule. Das ist eine Schule für Hörgeschädigte. Wir haben aber aktuell gehörlose, schwerhörige und hörende Schüler. Ich arbeite außerdem auch noch in der Stadtteilschule Mitte. Die hat eine inklusive Oberstufe mit gehörlosen, schwerhörigen und hörenden Schülern.

Warum hast du die App Camps Unterlagen in einfachere Sprache umgearbeitet?

Als ich mit meiner Klasse mit Scratch Unterlagen gearbeitet habe, habe ich die Lernkarten vorher in einfachere Sprache umgearbeitet, weil ich keine rein Deutsch-MuttersprachlerInnen in der Klasse habe. Es sind zwar nicht alle SchülerInnen vollkommen gehörlos, aber keiner von ihnen ist so aufgewachsen, dass sie immer Deutsch gehört haben oder aktuell hören. Das heißt, für meine Schülerschaft ist Deutsch lesen eine echte Herausforderung.

Es gibt einige SchülerInnen, die können es besser. Es gibt andere, die können es nicht so gut. Mein Ziel ist es, wenn ich mit den Unterlagen von App Camps arbeite, dass die Schüler und Schülerinnen so selbstständig wie möglich damit arbeiten. Je eigenständiger sie mit den Unterlagen arbeiten, desto höher bleibt auch ihre Motivation.

Wenn sie Schwierigkeiten haben, die Unterlagen zu verstehen, dann brauchen sie mich ständig. Das ist nicht Sinn der Sache. Außerdem kommen sie dann gar nicht zu den Dingen, an denen sie sich wirklich die Zähne ausbeißen sollen, wo sie wirklich Geduld haben und ausprobieren müssen, weil sie ja schon so viel Energie einsetzen, um überhaupt zu verstehen, was sie tun sollen.

Wie genau hast du die Lernkarten angepasst?

Ich habe hauptsächlich die Satzstellung geändert und lange Sätze gekürzt. Hier und da mal ein Wort geändert. Ich habe mich aber bemüht, Wörter wie „animieren“ drin zu lassen und als Wort zu erklären, so dass das Wort nicht weg ist und man es dazu lernen kann.

Zusätzlich habe ich versucht die sprachlichen Anteile mehr zu strukturieren. Also mehr Aufzählungszeichen und andere Zeilenumbrüche, sodass die Sätze für meine SchülerInnen klarer zu verstehen sind.

Außerdem habe ich visuelle Hilfen, wie farbige Markierungen verstärkt und Screenshots hinzugefügt, so dass ich mir sicher sein konnte, dass auch die schwächsten Leser und Leserinnen in meiner Klasse selbstständig mit den Lernkarten umgehen können und wirklich noch viel Motivation und Energie haben, sich mit der Scratch Oberfläche auseinanderzusetzen.

Lernkarten in einfacherer Sprache

Wie waren deine Erfahrungen mit dem angepassten Unterrichtsmaterial?

Ich habe unglaublich viel Motivation gesehen. Die SchülerInnen haben voller Eifer gearbeitet. Sie haben sich mit dem Material auseinandergesetzt, sie haben die Aufgabenstellung auf den Lernkarten gelesen. Das ist nicht selbstverständlich.

Sie haben die Aufgaben wunderbar geschafft und auch eigene kreative Ideen eingebaut. In der nächsten Phase, wo es darum ging, aus dem Gelernten eigene Ideen zu entwickeln, kamen wunderbare Sachen heraus. Sie haben es geschafft, sich Problemen zu stellen und diese zu lösen.

Eine Aufgabe, wo es eigentlich eine akustische Rückmeldung geben soll, hatte ich so umgeschrieben, dass es eine visuelle Rückmeldung gibt. Trotzdem haben zwei Schüler die akustische Anteile bemerkt und Buttons gefunden, mit denen sie Klänge einbauen können. Damit haben sie dann voller Begeisterung experimentiert. Nicht alle meine Schülerinnen und Schüler sind vollständig gehörlos. Von daher, waren sie begeistert, von dem was sie gehört haben.

Sie haben experimentiert und ausprobiert, was Scratch kann. Und das verbuche ich als Erfolg. Sie waren voller Feuereifer und Motivation dabei und haben auch, als wir das noch mal aufgegriffen haben, kreativ und eigenständig damit gearbeitet. Und das ist für mich ein klares Feedback, dass es gutes Material ist und die Schüler und Schülerinnen damit gut arbeiten.

Relevanz und Chancen digitaler Bildung

Natürlich haben wir Anneke Hänel auch nach ihrer generellen Meinung zu digitaler Bildung gefragt. Die Frage, ob digitale Medien und Inhalte Teil des Unterrichts sein sollten existiert für die Hamburger Lehrerin nicht mehr. Denn die Lebenswirklichkeit der SchülerInnen ist bereits heute stark digital geprägt und dieser Zustand wird, ihrer Meinung nach, in der Zukunft noch deutlich zunehmen.

Deshalb gehören digitale Medien sowohl als Werkzeug als auch als Inhalt in eine reformierte Schuldbildung, findet Anneke Hänel. Nur so kommen Schulen ihrem Auftrag nach, SchülerInnen für das Leben in einer zunehmend digitalen Welt zu befähigen. Diesen Auftrag versteht sie für alle Schulformen gleichermaßen, weshalb sie sich für Programmierunterricht im Bereich der Sonderpädagogik besonders stark macht.

Für hörgeschädigte SchülerInnen sieht Anneke Hänel besondere Möglichkeiten durch digitale Bildung. Sowohl für die Kommunikation als auch für selbstständige Teilhabe bieten digitale Werkzeuge großes Potential. Programmierkenntnisse sind für hörgeschädigte SchülerInnen ihrer Meinung nach nicht nur eine Chance Unterschiede im Bildungsniveau auszugleichen, sondern sich sogar Vorteile zu verschaffen.

Wünsche für einen digitalen Schulalltag

Für ihren Unterrichtsalltag an verschiedenen Schulen wünscht sich Anneke Hänel vor allem verlässliche und stabile Systeme. Die modernste und integrativste Unterrichtseinheit bringt nichts, wenn sie aufgrund fehlerhafter Infrastruktur scheitert. Genauso wie analoges Unterrichtsmaterial, müssen digitale Medien selbstverständlicher und funktionstüchtiger Bestandteil von Schulen werden. Dazu gehört auch regelmäßige Wartung und verlässliche hauptamtliche IT-Ansprechpartner.

Darüber hinaus wünscht sie sich eine Tinker- und Tüftel-Kultur an Schulen. Das Verlassen vorgeplanter Lernwege kann die Eigenmotivation von SchülerInnen erhöhen und den Unterrichtsalltag auch für Lehrkräfte abwechslungsreicher machen. Dafür wären mehr Platz und Zeit in Rahmenplänen hilfreich.

Abschließend zieht Anneke Hänel folgendes Fazit:

Digitale Werkzeuge erhöhen die Methoden-Vielfalt der Unterrichtsgestaltung und ermöglichen so jeder Lehrkraft einen besseren Zugang zu den individuellen Bedürfnissen aller SchülerInnen.

Herzlichen Dank für das interessante Interview, liebe Anneke!

Falls ihr euch die von Anneke Hänel umgearbeiteten Scratch Lernkarten in einfacherer Sprache genauer anschauen oder verwenden möchtet, findet ihr hier.

Wenn ihr selbst App Camps Unterrichtsunterlagen für euren Unterricht umarbeiten wollt,  stellen wir euch gern offene Dateien unserer Lernkarten zur Verfügung. Das minimiert euren Arbeitsaufwand und ihr müsst die Lernkarten nicht komplett nachbauen. Sprecht uns gerne an und schickt eure Anfragen an tom@appcamps.de.

Tom Wiedemann App Camps

Als studierter Medienwissenschaftler interessiert sich Tom dafür, wie analoge und digitale Medien unser Leben beeinflussen. Bei App Camps entwickelt Tom Unterrichtsunterlagen und ist als Trainer aktiv.